Das Kirchspiel Sankt Lorenz

Bericht über das Kirchspiel Sankt Lorenz
aus dem Buch

Das westliche Samland

von Oscar Schlicht (erschienen 1922)

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Das Gebiet Beten, das jetzige Kirchspiel Sankt Lorenz.

Dunkel die Geschichte jener Landschaft ein, die der Sitz Romowes war und über deren heiligen Wäldern und Eichenhainen die Sonne im Meer versank: Bitai nannten es unsere Vorfahren, das ist das gegen Westen liegende Land. Diesen Namen übernahm auch der Orden, und Jeroschin, der älteste deutsch schreibende Chronist Preußens, macht sogar ausdrücklich einen Unterschied zwischen Botin und Pobetin, dem vor Beten liegenden Gau.

Uber das Gebiet Beten gibt uns Dusburg die erste Nachricht: „Im Samland ist ein Landstrich, genannt Beten, auf dem so zahlreich trotzige Männer wohnten, daß aus einem Dorf sich fünfhundert Männer zum Aufgebot stellen konnten“. Der Chronist macht sich aber, um die Macht des Ordens bei ihrer Unterwerfung in ein besonders helles Licht zu stellen, sicher der Übertreibung schuldig. Immerhin dürften die Betener tapfere und entschlossene Männer gewesen sein, war ihnen doch die Verteidigung des auf ihrem Gebiet liegenden obersten Priestersitzes, des Romowe, anvertraut. Unrecht tut ihnen Caspar Schütz, der sie nach Überlieferungen als böse und frech, allerdings auch als wehrhaft schildert.

In das Betener Gebiet zogen sich nach dem großen Aufstand der Samländer die Reste dieser Tapferen zurück, bereit zum letzten Verzweiflungskampf um ihre Freiheit. Hier entschied sich das Schicksal des Preußenvolkes, und auf Jahr-hunderte hinaus wurde eine stark bevölkerte Gegend zur Öde gemacht; sind doch heute noch nicht, wie die Menschenleere des nordwestlichen Samlandes beweist, die Folgen jenes Kampfes völlig überwunden. Der Zeitpunkt dieser „Schlacht“ ist nicht sicher festzustellen. Töppen verlegt das Treffen im „territorio Beten“ hinter das Jahr 1267, da das kurische Gebiet, welches die livländischen Hilfstruppen des Ordens durchziehen mußten, erst um diese Zeit wieder unterworfen war; nach anderer Auffassung begann der Aufstand 1261 und war 1264 beendet. Auch die genaue Örtlichkeit des Kampfplatzes ist nicht nachweisbar, vermutlich lag sie bei Pobethen.

Über das Treffen schreibt die ältere Hochmeisterchronik: Da die Brüder mit Gottes Hilfe die Gebiete Wargen, Quednau, Schaaken und Waldau bezwungen, reiseten sie in das Gebiet Pobethen, wo sie das, Dorf Dramenow (Groß Drebnau) verheerten. Wie sie mit dem Raube wegwollten, folgten ihnen die Samen mit Macht, so daß die Brüder den Raub ließen und flüchtig wurden; der Bruder Ulenpusch brachte sie aber zum Stehen und die Brüder erschlugen viele Samländer“. Der Kampf wurde also durch das rechtzeitige Eingreifen des unter Ulenpusch stehenden und für das Treffen bestimmten livländischen Heerhaufens des Ordens entschieden, und zwar so endgültig, daß damals an 5000 Mann der Preußen gefallen sein sollen. „Und war nicht einer unter ihnen, der um Gnade gebeten oder sich gutwillig ergab“. Die Weiber und Kinder aber wurden fortgeführt und die Wohnsitze vernichtet. Endgültig siegte in diesem Kampfe, woran auch spätere Aufstände nichts mehr änderten, das Christentum über den alten Glauben und die Freiheit der Samländer. Diese barbarische Kriegführung des Ordens wird verständlich, wenn man in Betracht zieht, daß der Orden mit seinen schwachen Machtmitteln alles aufbieten mußte, um die in der Nähe seines Hauptortes Königsberg wohnenden Samländer, seine schärfsten und gefährlichsten Gegner, unschädlich zu machen.

Bald darauf, im Jahre 1283, fielen auch gegen 800 litauische Reiter im Samland ein und verheerten nochmals die Gebiete Pobetin und Betin, sie wohl restlos verwüstend.

Nur langsam gelang es dem Orden, die menschenleere Gegend wieder zu bevölkern; unter den neuen Bewohnern standen aber, wie anderweitig ausgeführt, Sudauer und Litauer an erster Stelle. Wahrscheinlich um ihnen die neue Heimat annehmbar zu machen, erhielten sie besondere Rechte gegenüber den Stammpreußen, denn nirgends im westlichen Samland treffen wir den köllmischen Besitz so stark vertreten, als in den Kirchspielen Beten-Sankt Lorenz und Pobethen. Streng schied der Orden zwischen den zwei Arten des Besitzes, dem köllmischen und dem der preußischen Freien; zum ersteren gehörten besondere Vorrechte, wie das Jagd- und Mühlenrecht, Anrecht auf Holz aus den Landesforsten, und Befreiung von bäuerlichen Diensten. Diese Bevorzugungen wurden aber später wieder stark beschnitten, namentlich beschwerte man den köllmischen Besitz stark mit Spanndiensten. In der Hauptsache aber stand den Köllmern ein unbeschränktes Verfügungsrecht über ihr Land zu, dieses zum Unterschied vom bäuerlichen Besitz. Köllmische Güter entstanden dann später dort, wo der Dorfbesitz mehrerer Köllmer durch Zusammenkauf in einer Hand vereingt wurde

Die Kirche Sankt Lorenz.

Im Mittelpunkt der Landschaft nahe der samländischen Steilküste, weithin sichtbar über Land und See, liegt die Kirche des unter dem römischen Kaiser Decius verstorbenen und heilig gesprochenen Laurentius, des Schutzpatrons der Seefahrer, dem sie gewidmet wurde. Lange vor der jetzigen Kirche soll hier eine vorn Orden erbaute Kapelle gestanden haben, die kirchlich von Germau aus versorgt wurde. Diese Vermutung beruht sicher auf Wahrheit, denn der in schönstem gotischen Stil erbaute Chor, die alte Kapelle, beweist, daß er einer weit älteren Zeit angehört, als der übrige Teil der Kirche. Der Sage nach beabsichtigte man dieses Kirchlein aber nicht an seinem jetzigen Standort zu erbauen, sondern etwas südwestlich auf der Stelle des Pokirbener Pilberges. Bereits waren dort die Bausteine zusammengetragen, als sie der Teufel eines Nachts an den Ort der jetzigen Kirche schleppte. Wie bei der Heiligencreutzer Kapelle dürften auch hier die alten Bewohner der Gegend diesen Wechsel vorgenommen haben, deren religiöses Empfinden durch die Absicht des Ordens verletzt sein dürfte, möglichst altpreußische Kultusstätten für seine Kirchenbauten zu wählen. Angeführt möge die auch bei Heiligencreutz sich wiederholende Sage sein, nach der der heilige Adalbert am Standort der Kirche erschlagen und an der Stelle des Altars begraben wurde.

Der Grundstein für den Erweiterungsbau der Kapelle zur Kirche in ihrer jetzigen Gestalt wurde im Jahre 1450 durch den zeitigen Kirchenvorsteher Klausgall gelegt. Diese Familie saß schon lange im Germauischen, vermutlich war sie litauischer Herkunft, da ein Clawsigail als Leitsmann des Ordens gelegentlich der Litauerfahrten genannt wird. Die Geldnot des Ordens in damaliger Zeit, wohl auch die Armut der Gemeinde, gestatteten nicht, den Bau in der gleich soliden, die Zeiten überdauerndenl Bauweise anderer samländischer Kirchen zu errichten: jedenfalls erwies sich diese in der spätesten Ordenszeit erbaute Kirche als die am wenigsten dauerhafte des Samlandes. Die Kirche ist in der Hauptsache aus Feldsteinen, jedoch mit Ziegelecken erbaut.

Eine weitere Vergrößerung nach der des Jahres 1450 brachte der Kirche das Jahr 1771, in dem sie nach Westen um weitere 24 Fuß verlängert wurde; die Kosten hierfür trugen König und Gemeinde gemeinschaftlich. Dieser Anbau ist kenntlich an seiner geringeren Mauerstärke; aus dem großen trennenden Zeitraum ergibt sich auch die Verschiedenheit des Baustils der beiden Giebel. An den letzteren Anbau erinnert noch eine auf dem Kirchenboden liegende Fahne mit der gleichen Jahreszahl. Einer durchgreifenden Erneuerung wurde die Kirche im Jahre 1840/41 unterzogen, ein an den König gerichtetes Unterstützungsgesuch wurde als „unrichtig motiviert“ abgewiesen. Auch in neuester Zeit machte sich eine größere Reparatur notwendig; bei dieser, 1900 beschlossen und bis 1906 durchgeführt, wurde auch der Glockenturm errichtet, für den jener der Kirche in Neuhausen als Vorbild diente. Durch diese Erneuerung, die, ohne die Materialien, einen Geldaufwand von etwa 50000 Mark erforderte, hat die Kirche jetzt ein würdiges Aussehen erhalten; ob sie aber lange den hier besonders schweren Seestürmen wird stand-halten können, erscheint schon heute zweifelhaft.

Bereits 1586 hatte die Kirche einen Turm erhalten, der in der Gestalt einer viereckigen Pyramide, geschmückt mit Knopf und Fahne, am westlichen Kirchengiebel stand. Da er den die samländische Küste ansteuernden Schiffen ein gutes Seezeichen war, trug die Königsberger Kaufmannschaft zu seiner Unterhaltung bei, entzog aber 1709 diese Beihilfe nach der Errichtung der Brüsterorter Baaken. Bald darauf wurde der Turm denn auch baufällig und war schließlich bis 1768 auf 63 Fuß Höhe abgebrochen; nicht erwiesen ist, wie es heißt, daß dieses auf Verlangen der Königsberger Kaufleute geschah. Die Absicht, den Rest durch ein Kuppeldach zu bedecken, unterblieb. Der dann der Kirche für 225 Taler auf-gesetzte Glockenstuhl trug zwei Glocken, auf deren eine der heilige Laurentius dargestellt war.

Gleichwie der Turm, hielten auch die Deckengewölbe der Zeit nicht stand, nur daß diese bereits früher einstürzten und schon 1609 die Einziehung der jetzigen hölzernen Decke erforderlich machten: Reste des alten Gewölbes sind an der Nordseite noch heute festzustellen. Die alten Gemälde und Verzierungen der Holz-decke sind leider übertüncht.

Einen wertvollen Schatz besitzt die Kirche in ihrem zur Zeit des Kurfürsten Georg Wilhelm errichteten und 1684 erneuerten Altaraufsatz. Die Mitte nimmt ein kunstgeschichtlich sehr beachtenswertes Holzrelief wahrscheinlich Nürnberger Arbeit ein; die Darstellungen auf den Altarflügeln sollen Übermalungen älterer unter ihnen befindlicher Gemälde sein. Am Fuße des Aufsatzes befindet sich eine sehr gute Darstellung des Abendmahls aus dem Jahre 1540 von dem Hofmaler Crispin Herranth, der damals in Königsberg arbeitete und angeblich ein Schüler Dürers war. Das Bild zeigt neben hoher künstlerischer Qualität größte Lebendigkeit und dramatische Bewegung der dargestellten Personen. Auf dem barocken Altarumbau sollen früher zwei Figuren, darunter auch die des heiligen Laurentius, gestanden haben, die wahrscheinlich noch aus katholischer Zeit stammten. Auch der Altar wurde 1906 durchgreifend erneuert. Beachtenswert ist ein gotischer, aus dem Jahre 1578 stammender Altarke]ch. Vorhanden ist noch ein kleines mit einem Apostelbildnis geschmücktes Löffelchen; derartige Apostellöffel wurden zur Beimischung des Wassers in den Wein verwendet. Ein vollständiger Satz bestand aus dreizehn Löffeln: zwölf mit Apostelbildnissen und einer mit dem der Maria versehen.

Die Kanzel ist im Jahre 1575 erbaut; schön sind an ihr die vier Evangelisten dargestellt, leider zeigt die Übermalung Spuren des Verfalls; gut ist auch eine Malerei an der Schalldecke der Kanzel aus dem Jahre 1684. Eigenartig ist ein links beim Altar stehender alter Kirchenstuhl. Die frühere kleine, 1709 von Mosengel gelieferte Orgel, wurde 1906 durch ein neues Werk ersetzt. Auf dem Kirchenboden befindet sich ein bemalter Taufengel, wie solche früher bei Taufen von der Kirchendecke herabgelassen wurden.

Der Kirchhof wie auch der Garten des 1893/94 neu erbauten Pfarrhauses zeichnen sich durch ihre prächtigen, weithin sichtbaren und früher als Seezeichen dienenden Linden aus. Auffallend ist es, daß die Grabstätten des Friedhofes nicht wie üblich parallel der Kirche angelegt sind; der Grund liegt darin, daß deren Achse nicht genau von Osten nach Westen liegt. Auf dem Kirchhof ist das Grab des unter Plinken erwähnten Rudolph Fr. v. Printz. Das Grabmal ist ein mit dem Medaillonbildnis und dem Wappen des Künstlers geschmückter Granitsockel; auf ihm steht jetzt an Stelle der früheren Figur eines betenden Knaben eine Vase. Als die Schweden im Jahre 1625 das Samland besetzten, soll die Gefahr einer Brandschatzung der Kirche und des Pfarrhauses bestanden haben; bei ihrer und der Verteidigung des Pfarrers ließ ein Bewohner des Ortes sein Leben. Als dann 1709/10 die Pest in ganz Preußen herrschte und namentlich die Küstenbevölkerung fast völlig ausstarb, starben auch alle Kirchenbeamten in Sankt Lorenz, wie Pfarrer, Lehrer und Glöckner. Hier wie im ganzen Schaakenschen Amt und auch sonst im Samland bestanden seit 1638 die sogenannten Gebetsverhöre, sie gingen erst 1879 aus Mangel an Beteiligung ein.

Unter den Geistlichen der Kirche haben sich zwei im vorigen Jahrhundert an ihr wirkende einen bekannten Namen gemacht: Gerber, ein seinerzeit hochgeschätzter Dichter und Schriftsteller, der 1821 als Pfarrer in Wargen starb, und Dr. Carl Gebauer. Dieser schrieb hier 1844, angeregt durch seinen Vater, dem Oberförster Warnickens, seine noch heute höchst beachtenswerte Kunde des Samlandes, die als der, allerdings achtzig Jahre zurückreichende, Vorläufer dieses Heimatbuches anzusehen ist. Die zweiklassige Schule bestand als Kirchschule schon um 1700; zur Zeit der Reformation existierte hier, trotzdem es Kirchort war, noch keine Schule. Das jetzige Schulgebäude ist 1874 erbaut.

Die Ortschaft Sankt Lorenz hat sich erst lange nach dem Bau der Kirche entwickelt. Ursprünglich befand sich hier nur das Pfarrgut-Etablissement mit im Jahre 1858 372 Morgen Land und das Erbpachtsgut oder Vorwerk, welches das Recht der Brauerei besaß und zu dem auch der Krug gehörte; dieses Gut wurde später zu köllmischen Rechten vergeben. 1844 hatte das Dorf erst 129 Bewohner, deren Zahl bis 1909 auf 206 stieg. Eine wesentliche Veränderung brachte in neuerer Zeit die Eingemeindung der beiden Ortschaften Nortycken — dieses 1844 noch ein Dorf mit über hundert Bewohnern, jetzt aber fast völlig verschwunden und Pokirben, mit bedeutendem Waldanteil, durch die das Kirchdorf Sankt Lorenz 1919 auf 341 Einwohner stieg. Eingegangen ist ein in der Nähe liegendes köllmisches Gut Thielenhof.

Nahe bei Pokirben, in letzter Zeit weniger angenehm bekannt geworden durch seinen unglaublich häufigen Besitzwechsel, befindet sich an der Kunststraße ein weithin sichtbarer, recht gut erhaltener Pilberg, von den Anwohnern auch Spukberg genannt; diese Eigenschaft verhinderte jedoch nicht die Niederlassung einer Familie auf ihm gewissermaßen als Höhlenbewohner. Der Pilberg liegt auf einer sich in das Moor erstreckenden Landzunge; das Innere seines Plateaus hat eine Länge von 32 Meter bei einer Breite von 18 Meter, die Höhe des Walles ist ungefähr 2,75 Meter. Beachtenswert sind die nach genaueren Untersuchungen durch Oberst Stadie festgestellten Reste von Pallisadierungen des Einganges. Umgeben war der Burgwall früher von Wald, die Zelnaige geheißen. Steinzeitliche Funde, die im Samland sehr selten sind, wurden auf dem nördlich des Pilberges gelegenen, mehrere Perioden umfassenden großen Gräberfelde gemacht; sie lassen darauf schließen, daß die Gegend uraltes Kulturland ist.

Die restlichen Ortschaften des Kirchspiels Sankt Lorenz.

In der Nähe von Sankt Lorenz liegt das Dorf Kirtigehnen, 1400 Kirtieynen; in seinem Namen, wie auch in dem Pokirbens, will man einen Zusammenhang mit dem Kniwentum erblicken. Die ganze Gegend ist reich an altpreußischen Gräbenfeldern, man entdeckte solche bei Kirtigehnen, Sankt Lorenz, Pokirben, Pokalkstein, Plinken und Rauschen. Recht interessant sind die staatlichen Abgaben einer solchen kleinen Ortschaft wie Kirtigehnen vor hundert Jahren. Danach zahlte jeder der köllmischen Besitzer des Ortes jährlich 2 Taler 10 Sgr. an laufenden Gefällen. 17 Sgr. 6 Pf. als Memelsches Garnisongeld, 8 Sgr. als Ablösung für eine Gans, je 2 Sgr. für die Hufe Land und ferner ein Stück Garn. Die 354 Morgen große Viehweide, für die jährlich 36 Taler zu entrichten war, benutzten Kirtigehnen und Kobjeiten gemeinschaftlich. Gleichfalls in der Nähe liegt das Gut Alexwangen, etwa eine Erlenrodung bedeutend. Auf dem Gut wie auch auf Karschau, Posselau und Obrotten saß die zu den vornehmsten altpreußischen Geschlechtern gehörende Familie Alexwange, die geadelt, erst im siebenzehnten Jahrhundert ausstarb.

Obrotten ist das einzige Gut adligen Charakters im Kirchspiel, es führt diese Eigenschaft auf das Jahr 1668 zurück, vermutlich veranlaßt durch den Besitz des Obenforstmeisters von Foller, des damals anscheinend reichsten Grundbesitzers des westlichen Samlandes. Von Obrotten zieht sich bis zur Samlandbahn die Hügelkette des kleinen Gebirges, das reich an bewaldeten Schluchten und hübschen Ausblicken von seiner Höhe ist. In dem Namen Obrotten vermutet man die altpreußische Bezeichnung für eine eingezäunte Futterstelle.

Selten lernt ein Wanderer den südlichen Teil des Kirchspiels kennen, in dem die kleineren Güter Tolklauken, Syndau, Lopsienen, Mossycken und Stapornen liegen, wie überhaupt der Großgrundbesitz im Kirchspiel fast völlig fehlt. Tolklauken dürfte seinen Namen auf seine Eigenschaft als Wohnsitz des Sankt Lorenzer Kirchentolken zurückführen. Syndau, früher ein Dorf, wird 1302 villa Sudowe genannt, in der damals der Sudauer Catcze Land verschrieben erhielt; 1331 wird auch ein Nytcze von Syndaw erwähnt. Der Ort, zeitweise auch Zindau oder Zinge geschrieben, bestand früher aus drei Freigütern, erst durch Zusammenlegung dieser Stellen erhielt er Gutscharakter. Diese drei Freigüter zahlten 1800 nur 5 Taler 13 Sgr. Domänenzins; die niedrige Summe ist wohl auf den für die Landwirtschaft hier nicht sonderlich günstigen Boden zurückzuführen. Syndau ist Schulort.

M o s s y c k e n ist bemerkenswert durch einen Jerusalem benannten Wallrest; die Herkunft der Benennung für ihn ist ungeklärt. Unter dem Orden verstand man in solchem einen in der Erde oder Kirche markierten Zickzackweg, den Gläubige als Ersatz für eine Pilgerfahrt abschritten. Vielleicht haben wir auch in der vom Orden vorgeschriebenen Kreuzform damals angelegter Gutsgärten derartige Jerusaleme zu erblicken; verwiesen möge z. 13. auf die diese Form noch heute deutlich erkennen lassenden Gärten in Goldschmiede und Maldaiten sein. Nach anderer Lesart diente ein solches Jerusalem — wir haben deren noch mehrere des Namens in Preußen — zur symbolischen Darstellung der Eroberung des wirklichen Jerusalem, zu der nach dem Gelübde jeder Ordensritter verpflichtet war. Ob eine dieser Möglichkeiten auf das bei Mossycken liegende zutrifft, darf aber wohl bezweifelt werden. Stapornen, 1394 Stupar, liegt in der Nähe des Forkenschen Fließes, das hier bei den Kosakenbergen hübsche Partien bildet. Auf den hier befindlichen Mooren der Kalsch- und Pogriefwiese verläuft die Wasserscheide; sie entwässern daher nach Norden durch das Pobethener und nach Süden durch das Forkener Fließ.

Die letzten, dicht an der Samlandbahn gelegenen Ortschaften des Kirchspiels sind die Dörfer Lixeiden mit Bahnstation, früher Lixeden; Posselau, 1373 Posseln, dann auch Possels genannt, Tenkieten, Schlakalken und die beiden Battau. Bei Tenkieten, 1391 Penkyten, liegt auf einer Wiese ein hoher Stein mit den angeblichen Abdrücken einer Stiefelsohle und eines Ochsenfußes, beide, wie auch eine dabei befindliche flache Rinne sollen der Sage nach vom Teufel herrühren, als er während eines Gewitters aus Angst vom Stein herunterrutschte. Schlakalken heißt 1333 Slakelaux, bald darauf Slakelawken, und 1435 Slawelawken, es hat also eigentümliche Namensveränderungen durchgemacht. Von den beiden Battau führt das eine die Bezeichnung Preußisch oder Groß Battau, es hat eine bereits mehrere Jahrhunderte bestehende Schule. Während Groß Battau Dorf geblieben ist, ist Deutsch- oder Klein Battau neuerdings als Gut anerkannt, nachdem er sich seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Sager befindet. Ein von Böttcher erwähnter, etwa 3 Kilometer nordöstlich liegender Burgwall ist nicht festzustellen, vermutlich meinte er darunter den im Lachsbachtal bei Battau liegenden Schanzenrest, die Sagershöhe, genannt.

Schlakalken, Tenkieten und Lixeiden kamen erst 1576 zum Kirchspiel Sankt Lorenz, dagegen schieden die in der Nähe liegenden Ortschaften Kalthof und Regehnen 1888 aus und wurden Pobethen angegliedert. Zurzeit umfaßt das Kirchspiel 28 Ortschaften, deren Einwohnerzahl insgesamt im Jahre 1844 1981 und 1884 3226 betrug; heute ist sie, namentlich aber durch das Wachstum der Badeorte Rauschen und Neukuhren, wesentlich höher.