Chronik Trankwitz

Trankwitz

 

Aus den Aufzeichnungen von Erich Erdmann, verstorben am 20.4.1975

Als Bauer und derzeitiger Bürgermeister in den 30er Jahren war ich mit den Verhältnissen der Siedlergemeinde Trankwitz, Kreis Fischhausen, Ostpreußen gut vertraut und kann daher unseren nachfolgenden Generationen über die Entstehung der Siedlung im Jahre 1928/29 eine kleine Chronik schreiben.

Über das Gut Trankwitz und seine Entstehung lagen mir so gut wie keine Dokumente vor, ich kann daher nur aufgrund meiner eigenen gesammelten Kenntnisse und Aussagen von älteren Nachbarn einen kurzen Überblick geben. Hierzu muß ich auf Wargen zurückgreifen. Urkundlich ist Wargen im Jahre 1318 von dem deutschen Ritterorden gegründet worden. die alte ehrwürdige Ordenskirche soll ein Teil der Ordensburg gewesen sein. Wargen war vom Großgrundbesitz umgrenzt und hatte selbst nur eine Ackerfläche von 290 Morgen mit 5 Bauernstellen, Pfarrhaus und Schule. Trankwitz gehörte zum Kirchspiel Wargen, und so war auch dort der Friedhof und die Schule für Trankwitz zuständig. Besonderen Rang nahm die Begüterung des Grafen von Lehndorff – Preyl und des Grafen von Kanitz – Mednicken mit je 5000 Morgen ein. Es folgten dann eine Reihe Gutshöfe mit 1500 und 1000 Morgen. Weil Wargen immer im Mittelpunkt und die Gutshöfe in einer bestimmten Größenordnung, darunter auch Trankwitz und Trenk mit je 1500 Morgen, stehen, ist davon auszugehen, daß eine einheitliche Besiedlung des Gebietes nach dem Zerfall des Ritterordens vollzogen worden ist. Alte Mauerreste zeugten davon, daß auch Trankwitz schon einige Jahrhunderte bestanden haben muß. Die letzten auf dem Gutshof Trankwitz vorhandenen Wirtschaftsgebäude und Arbeiterwohnhäuser müssen um 1800 errichtet worden sein, denn auch sie waren in den 1920iger Jahren zum Teil nicht mehr benutzbar. Letzter Besitzer war Herr Strehl, der das Gut 1908 käuflich erworben hatte.

Herr Strehl verkaufte seinen Besitz von 1500 Morgen an die Siedlungsgesellschaft „Bauernland“ in Königsberg, Ostpreußen, welche sofort mit der Planung und dem Ausbau der Siedlung begann.

Trankwitz wurde von ca. 49 Familien neu besiedelt. Darunter waren 12 Bauernstellen, die von Berufssoldaten übernommen wurden. Handwerker und Freiarbeiter, welche in der Hauptzahl an der Dorfstraße wohnten, die von Süden (Metgethen über Trankwitz) nach Norden verlief, besiedelten Stellen von 8-20 Morgen. In der Feldmark lagen dann die Bauernstellen von 30-70 Morgen, zu denen erst ein neues Wegenetz geschaffen werden mußte. Das Gelände von Trankwitz war fast eben, der Boden war sandiger Lehm bis humuser Lehm und sehr fruchtbar. Nachdem die Siedlerstellen bezogen waren, wurde Trankwitz 1930 eine selbständige Gemeinde. Hinzu kam das Gut Trenk mit Saggehnen, ebenfalls mit 1500 Morgen.

Der Anfang war für uns Siedler nicht leicht. Erst nach 5jähriger Bewirtschaftung fanden wir den Anschluß an unsere Nachbarn wieder. Ein großes Problem waren die in der Feldmark angelegten Landwege, die bei nassem Wetter nur schwer passierbar waren. Ursprünglich führte nur ein schmaler öffentlicher Feldweg vom Gut Trankwitz ca. 500 Meter ostwärts, dann nach Süden über den Landgraben nach Gr. Friedrichsberg und Metgethen. Ab 1933 begannen wir mit der Ausbesserung der Wege. Allein in diesem Jahr wurden 550 cbm Kies in Eigenleistung von den Siedlern aus der Kiesgrube Juditten angefahren.

Aber da gab es in der Gemeinde noch ein großes Problem zu lösen. Es war die Schulfrage! Die Kinder hatten täglich einen Schulweg von 12-13km bis Wargen zurückzulegen. Ich war Mitglied im Schulverband Wargen, und so erwirkten wir bei der Regierung eine Lehrkraft für Trankwitz. Eine Notschule wurde in einem der Wirtschaftsgebäude vom ehemaligen Gut Trankwitz eingerichtet. Erster unterrichtender Lehrer war Herr Kaska. So bildete Trankwitz unter meinem Vorsitz einen Eigenschulverband. Dieser Zustand war aber auch nur eine Notlösung, denn es stand fest, daß die Zahl der schulpflichtigen Kinder von Jahr zu Jahr stieg. Einen Antrag an die Regierung, eine zweiklassige Schule mit Lehrerwohnung zu errichten, wurde nach mehreren Verhandlungen zugestimmt. 1933 konnte ich die Schule einweihen und ihrer Bestimmung übergeben. Das mein Plan richtig war ergab, daß zur gleichen Zeit die zweite Klasse belegt wurde und eine zweite Lehrkraft, Herr Rutenkolk, eingestellt wurde. Durch Lehrerwechsel unterrichteten später noch Herr Kerwien und Frl. Uhlmann unsere Kinder. Ungefähr 1935 zog Herr Wittki mit seiner Familie in das neuerrichtete Schulhaus als Schulleiter.

Große Sorgen bereiteten der Gemeinde die Arbeitslosigkeit und die schlechten Wohnverhältnisse von 4 ehemaligen Landarbeiterfamilien, welche von der Gemeinde unterhalten werden mußten. Der Gemeinderat beschloß, von dem Gemeindeland 4 Morgen für den Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. So wurden hier noch 4 neue Wohnhäuser für diese Familien erichtet.

Wir verfügten auch über eine Freiwillige Feuerwehr. Brandmeister war Max Konrad, der sehr aktiv für die Wehr einsetzt hat.

Hier endet der Bericht meines Vaters und als jüngste Tochter der Familie Erdmann will ich gerne weiterschreiben. Natürlich hatten wir in Trankwitz auch ein Gasthaus. Die Gaststätte Johannes Kroll, mit Kolonialwaren und Milchablieferungsstelle ist sicher vielen ein Begriff.

Auch die Teufelswiese in Trankwitz ist ihren Anwohnern bestimmt nicht unbekannt. Sie muß in früheren Zeiten ein Teich oder See gewesen sein, der durch einen schmalen, bewaldeten Landstreifen vom Philippsteich getrennt, sich ostwärts bis hin nach Waldgarten erstreckte. Teufelswiese sicher deshalb genannt, weil sie sehr moorig war und im Gelände tief lag, so daß sich dort Nebel bilden konnte und sie dadurch gespenstig wirkte. Es wurden Gräben gezogen und Drainagen verlegt, wobei dann mein Vater einige Ton gebrannte Netzänker und sogar einen Einbaum mit Knochen gefunden hatte. Diese Fundsachen kamen nach Königsberg in ein Museum.

Inzwischen hatte der Krieg begonnen, und uns Kindern wurden auch Aufgaben gestellt. Wir sammelten Heilkräuter für Tee. Wiesen und Felder wurden nach Hirtentäschelkraut, Huflattich und vielen anderen Kräutern abgesucht.

Während des Krieges war Herr Karl Brehm Bürgermeister von Trankwitz. Seine Amtsgeschäfte über Land erledigte er mit einem laut knatternden Motorrad. Im Büro des Gemeindeamtes war noch Frl. Gerda Albrecht tätig. Die Einwohnerzahl von Trankwitz war inzwischen auf ca. 296 Personen angestiegen. Hinzu kamen eine Reihe evakuierter Familien aus Königsberg und ab Oktober 1944 die Flüchtlinge aus dem Memelland. Der wahnsinnige Krieg nahm weiter seinen Lauf. Unsere Trankwitzer Jungen wurden eingezogen und fielen, sobald sie an die Front kamen. Stattdessen schickte man uns wie es überall war, Polen und Ukrainer als Arbeiter auf unsere Höfe.

Auch Lehrer Wittki blieb infolge des Krieges nicht im Schulamt. Zwei Damen übernahmen nun das Lehramt. Frl. Ruth John kam aus Goldschmiede. Sie war eine ältere Dame, aber sehr wendig und vital. Frl. Lisbeth Dröse war noch eine junge Lehrerin und wohl aus Königsberg stammend. Sie war bei uns Kindern besonders beliebt. Frl. Dröse wohnte bei Familie Göring in Trankwitz.

Dann nahte für uns alle das unheilsame Ende! Der 29.Januar 1945 brachte den Abschied von der Heimat, von Haus und Hof, aber auch das Ende glücklich verlebter Kinderjahre.

Unserem ostpreußischen Wesen angeborene Treue und Schaffenskraft aber auch das Gottvertrauen läßt wohl allen Trankwitz zu einem liebenswerten Ort und zu einer echten, unvergeßlichen Heimat werden.

Ingrid Scheuer, geb. Erdmann